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Der vielleicht bunteste Urlaub der Welt: Tulpenblüte in Flevoland

Landpartie im VW-Käfer-Cabrio durch den bunten Fleckerlteppich der holländischen Provinz.

Blütenmeer in der holländischen Provinz.
Blütenmeer in der holländischen Provinz.
Hanneke Monsma.
Hanneke Monsma.
Bunte Tulpenfelder.
Bunte Tulpenfelder.

Ihr volles Potenzial kann Miss Grace leider nicht ausschöpfen. Für "oben ohne" ist es an diesem Wochenende zu kalt. Doch auch so macht die Diva, Baujahr 1969, eine gute Figur inmitten der farbigen Tulpenfelder. Mit knallrotem Lack und elegantem, schwarzem Verdeck peppt das VW-Käfer-Cabrio jedes entlang der Tulpenroute geschossene Foto auf - und bringt die Insassen zuverlässig zu den schönsten Plätzen. Die Route ist rund 100 Kilometer lang und führt kreuz und quer durch die niederländische Provinz Flevoland.

Ausgezeichnet als eine der schönsten Autostrecken der Welt, hat die Pracht jedoch ein Verfallsdatum. Denn so richtig schön ist es hier dann, wenn die Blumen in voller Blüte stehen. Zwischen Ende März und Anfang Mai blühen hier auf einer Fläche von der Größe von rund 2800 Fußballfeldern Millionen Tulpen in Weiß und Gelb, in Orange und Lachs, in Rosa und Lila, in Hell- und in Dunkelrot.

Über 250 verschiedene Sorten wachsen auch im Pflückgarten von Hanneke Monsma, deren Bauernhof an der Tulpenroute liegt. "Ich kann Ihnen also nur einen Bruchteil dessen zeigen, was Sie da draußen sehen können", sagt die 50-Jährige mit koketter Bescheidenheit. "In Flevoland werden mehr als 2500 verschiedene Sorten Tulpen angebaut", fügt sie hinzu und lacht, weil ihre Gäste jetzt ganz große Augen machen. Tausende Sorten Tulpen? Mit viel Arbeit und Herzblut hat sich Hanneke in der Nähe der Ortschaft Biddinghuizen einen Lebenstraum erfüllt: einen Bauernhof mit Garten, in dem Besucher selbst Blumen pflücken und zu Sträußen binden können, einen Streichelzoo mit Ziegen, Kaninchen und verschmusten Hühnern - und ein kleines, feines Café mit Terrasse und Wintergarten für Regenwetter. Jeder Sessel und jeder Tisch im Café ist ein Unikum - zusammengekauft in Antikläden und auf Flohmärkten. Auf einer Seite, wo die Glasfläche ins Dach übergeht, hat sie in Blau und Wellenlinien die Wasseroberfläche hingepinselt. "Ich möchte, dass meine Gäste sich bewusst werden, dass sie hier im Café vier Meter unter dem Meeresspiegel sitzen."

Im Rahmen eines gewaltigen Landgewinnungsprojekts entstand erst 1957 aus einem Teil der ehemaligen Meeresbucht Zuiderzee der größte Polder der Welt: Flevoland. Da sich der ehemalige Meeresboden hervorragend für die Tulpenzucht eignet, entwickelte sich die Region zu einem der größten Tulpenzwiebel-Anbaugebiete der Welt. Bevor die Züchter die Zwiebeln ernten können, müssen die Tulpen aber erst einmal blühen. Und das tun sie im Frühjahr.

Wann es so weit ist, hängt von den Temperaturen ab. Nach milden Wintern beginnt die Blüte früher, nach frostigen später. Für ein wenig Planungssicherheit wurde entschieden, dass die Tulpensaison 2024 offiziell am 19. April eröffnet wird. Und dann ist in der sonst ruhigen und ländlichen Region auch ziemlich was los. Bis zum 5. Mai wird das Tulpenfestival gefeiert, lockt Jahr für Jahr Gäste von nah und fern an, die sich am Anblick von Millionen Blüten und deren Duft "berauschen", aber auch von den Events im Rahmen des Tulpenfestivals profitieren wollen.

Natürlich kann man auf der Tulpenroute nicht nur Auto fahren. Auch Fußgänger und Radfahrer, Motorradfahrer und Reiter sind willkommen. Manche Bauernhöfe öffnen ihre Stalltüren für Besucher, es gibt Wettrennen entlang der Tulpenfelder, oder man kann sich an ausgewiesenen Stellen zwischen den Tulpen fotografieren lassen. Etwa in der Brauerei Artemis bei Dronten. Dort wird jedes Frühjahr ein Tulpenbier gebraut, mit wenig Alkoholgehalt, leicht und erfrischend. Wie er das macht, verrät Braumeister Theo Hogendoorn: Er verwendet bei der Zubereitung neben Hopfen auch Hopfenblüten. "Das Ergebnis ist ein sehr frisches und fruchtiges Bier, geradezu blumig. Das passt perfekt zum Erlebnis unserer bunten Tulpenfelder!"

Ein weiterer gern frequentierter Haltepunkt auf der Tulpenroute ist eine Attraktion, die jedes Jahr zum Tulpenfestival neu eröffnet wird und bei einem Besuch in der Region keinesfalls fehlen sollte: das Tulpenerlebnisfeld in Creil. Hier kann man nach Herzenslust Fotos inmitten der Tulpen machen. Es gibt sogar drei ausgewiesene Selfie-Felder, die mit einem speziellen Muster bepflanzt sind und bei der Tulpenblüte die schönsten Kunstwerke ergeben. Die kommerziellen Tulpenfelder sollte man natürlich nicht betreten. Und so legen die Tulpenbauern hier am Rande der Ortschaft Creil jedes Jahr erneut einen Schaugarten für Festivalbesucher an. Mehr als 500 verschiedene Sorten sind zu sehen, mit Namen wie Mickey Mouse, Rambo, Armani und Paul McCartney. Gefranst, gefüllt, mit Zacken, einfarbig oder marmoriert in Schneeweiß oder Mohnrot, sogar in Schwarz. In Zelten neben den Beeten werden außerdem Workshops angeboten. Und es gibt Kaffee, Kuchen und Souvenirs.

Wem das nicht reicht, der kann einen weiteren Höhepunkt buchen: einen Hubschrauber-Rundflug über Flevoland. Tulpenfelder, so weit das Auge reicht, dazwischen Kanäle, Windräder, Pferde, Kühe und Bauernhöfe. Der Großvater des Piloten Pieter Veendrick aus Creil war einer der Ersten, der hier mit dem Anbau von Tulpen begann. Und so berichtet Pieter während des Flugs begeistert von der Kultivierung der Tulpen, während seine Gäste gebannt nach unten starren. Die Fahrzeuge auf der Tulpenroute sehen wie Matchbox-Autos aus. Auch Miss Grace wirkt winzig. Doch selbst dann sticht sie mit ihrem knallroten Lack zwischen all den gewöhnlichen Autos heraus. Tulpenblüte und Oldtimer, das passt einfach gut zusammen.

Info: tulpenfestival.nl/de, www.visitflevoland.nl/de

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