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Ostern: Wilde Teufel und fröhliche Auferstehung

Osterbräuche am Mittelmeer. In der Karwoche steht ganz Südeuropa im Zeichen uralter Passionstraditionen.

Die Osterprozession bewegt sich durch die prächtigen Straßen von Maltas Hauptstadt La Valletta.
Die Osterprozession bewegt sich durch die prächtigen Straßen von Maltas Hauptstadt La Valletta.
Karfreitag: Die Bruderschaften tragen in Mallorcas Hauptstadt Palma die Kreuze durch die Stadt.
Karfreitag: Die Bruderschaften tragen in Mallorcas Hauptstadt Palma die Kreuze durch die Stadt.
Die Kutten im südfranzösischen Perpignan erinnern an Pater Vincent Ferrier.
Die Kutten im südfranzösischen Perpignan erinnern an Pater Vincent Ferrier.
Am Palmsonntag zieht die Bruderschaft La Borriquita durch die Stadt Sevilla in Andalusien.
Am Palmsonntag zieht die Bruderschaft La Borriquita durch die Stadt Sevilla in Andalusien.
Auf Jesu Spurensuche: angeketteter Kreuzträger in Sartène in Korsika.
Auf Jesu Spurensuche: angeketteter Kreuzträger in Sartène in Korsika.
Sizilien: Die Teufel in Prizzi warten zu Ostern darauf, dass sie von den Engeln besiegt werden.
Sizilien: Die Teufel in Prizzi warten zu Ostern darauf, dass sie von den Engeln besiegt werden.
Prozession im Laufschritt: Umzug mit Jesus, hier in Mdina auf Malta.
Prozession im Laufschritt: Umzug mit Jesus, hier in Mdina auf Malta.
Osterschale mit Eiern und Blüten auf Kreta.
Osterschale mit Eiern und Blüten auf Kreta.

Ostern: Das verbinden die meisten hierzulande nur noch mit Schulferien, Schokohasen und bemalten Eiern. Ganz anders in den Mittelmeerländern. Dort sind bis heute zahlreiche religiöse Zeremonien lebendig geblieben - von der andächtigen Prozession bis zum farbenprächtigen Spektakel. Wer in diesen Tagen nach Südeuropa reist, kann dabei die Einheimischen und ihre Traditionen so hautnah erleben wie sonst nie im Jahr. Wir haben zusammengestellt, wo es Kapuzenmänner und Osterteufel besonders bunt treiben.

Mallorca mag übers Jahr wie Deutschlands 17. Bundesland wirken. Zu Ostern aber wird das Mittelalter wieder lebendig: Inselweit lebt am Karfreitag die Zeit der Kutten und Kreuze auf. Besonders beeindruckend sind dabei die Davallaments (Kreuzabnahmen), wenn unzählige Laienschauspieler den Leidensweg Christi originalgetreu aufführen. Schon ab zwölf Uhr mittags verwandelt sich in der Inselhauptstadt Palma der Treppenaufgang der Kathedrale in eine gewaltige Freilichtbühne, auf der Hunderte Jesu letzten Weg begleiten. Abends gegen 19 Uhr folgt dann die Prozession der Heiligen Grablegung: Im gelben Licht der Altstadtgassen tragen die Bruderschaften das Kreuz und die rasselnden Eisenketten durch die Stadt. Mit ihren weißen Kutten und turmhohen Hauben, in die nur schmale Augenschlitze geschnitten sind, wirken sie wie aus der Zeit gefallen. Und tatsächlich gehen diese Kutten auf die mittelalterlichen Zünfte der Insel zurück.

Im 13. und 14. Jahrhundert gab es für knapp 70 Jahre sogar ein Königreich von Mallorca. Der König freilich hielt in Perpignan im heutigen Südfrankreich Hof, wo noch heute die gelbrote Flagge Kataloniens allgegenwärtig ist. Geschwungen wird sie auch bei den geheimnisvollen Nacht-Karfreitagsprozession in Arles-sur-Tech und Collioure. Besonders spürbar ist die katalanische Seele Französisch-Kataloniens in Perpignan, bei der größten dieser Prozessionen. Tausende reihen sich am Karfreitagsvormittag in die Processó de la Sanch ein, sie tragen schwarze oder rote bodenlange Kutten, die Capirote. Die erinnern an den heiliggesprochenen Dominikanerpater Vincent Ferrier, der im 16. Jahrhundert auf diese Weise Gefangene auf dem Weg zur Hinrichtung vor der Lynchjustiz der Massen schützte. Nach Abschaffung der Todesstrafe entschied sich die Bruderschaft de lan Sanch dafür, mit ihrer Prozession an das Leid von Jesus Christus zu erinnern.

Noch weiter südlich, in Andalusien, zelebriert man bereits seit dem 16. Jahrhundert die "Semana Santa", die Heilige Woche. Die prächtigste dieser Osterprozessionen ist die in der Nacht auf den Karfreitag in Sevilla. Mit spitzen, weißen Kapuzen verhüllte Gestalten tragen barfüßig kunstvoll gearbeitete Holzbaldachine mit wertvollen Christus- und Marienfiguren durch die Straßen. Musikkapellen mit Trommeln, Fanfaren und Trompeten begleiten die Festwagen, die Szenen der Passionsgeschichte darstellen. In der Luft hängen Weihrauchschwaden, große Osterkerzen erleuchten die Dunkelheit, Büßer schleppen schwere Holzkreuze. Trauermusik und gesungene Gebete sorgen für eine ganz eigene Stimmung. Die hält jedoch nicht lange an: Bereits eine Woche nach Ostern beginnt die Feria de Abril, während der ganz Sevilla eine Woche lang ein rauschendes Fest feiert.

Korsikas stimmungsvollste Osterprozession windet sich am Karfreitag durch die Altstadt von Sartène. Sie heißt "U Catenacciu", auf Deutsch "Der Angekettete". Der Name stammt von der 17 Kilogramm schweren Stahlkette, die eine Hauptrolle bei dem urtümlichen Bußgang spielt. Nur der Priester weiß, wer der Verhüllte ist, der sie um den rechten Knöchel geschmiedet bekommt und sie dann tragen muss. Der Arme ist ganz mit rotem Stoff vermummt, gerade mal durch zwei winzige Sehschlitze kann er aus seiner Kapuze schauen. Wie Jesus auf dem Weg nach Golgatha läuft er barfuß, wie Jesus trägt er auf den Schultern das 35 Kilogramm schwere Holzkreuz, und wie Jesus fällt auch er bei seinem beschwerlichen Weg durch die Altstadt dreimal auf die Knie.

Auf Sizilien ist in dem kleinen Dorf Prizzi bei Palermo besondere Vorsicht geboten. Dort kann einen während der Feiertage nämlich durchaus der Teufel holen: Wüste Kerle, versteckt hinter Maske und Hörnern, tollen in wildem Teufelstanz durch die mittelalterlichen Gassen. Urplötzlich schnappen sie sich ein Opfer, packen es auf offener Straße und schleppen es in die nächstbeste Bar, wo es sich mit einem Schnaps auslösen muss. Das Spektakel dauert so lange, bis die Dämonen von einer anderen Gruppe, den Engeln, besiegt werden. Erst wenn die Engel die Teufel vor die Jungfrau Maria führen, ist der Kampf beendet. Dann hat endgültig das Gute über das Böse gesiegt.

Malta schließlich mag der kleinste Staat der EU sein, ist aber beim Feiern immer vorne dran. Ab Gründonnerstag wird in vielen der 350 Kirchen und Klöster der Insel das letzte Abendmahl aufgedeckt: Künstler erstellen dabei aus farbigen Salzkörnern reich verzierte Gemälde mit christlichen Motiven auf den Tellern. Am Karfreitag zieht dann die große Prozession durch Valletta, bei der junge Männer Holzgestelle mit überlebensgroßen Heiligenstatuen durch die Menge tragen. Ihnen folgen Männer und Frauen in biblischen Gewändern. Am Ostersonntag muss dann alles ganz schnell gehen: Im Dauerlauf wird der Auferstandene durch die Straßen Valettas getragen. Denn früher durfte die Jesusfigur nur ganz kurz die Kirche verlassen - mehr erlaubte der britische Gouverneur nicht. Damit ihn trotzdem möglichst viele sehen konnten, rannten die schnellsten Männer der Stadt mit dem Heiland auf dem Buckel einmal um den Dom. Und so ist es bis heute geblieben.

Kreta zu Ostern: Das ist ein farbenfrohes Volksfest mit Prozessionen, Tänzen, Lammfleisch und Feuerwerk. Das griechisch-orthodoxe Osterfest findet dieses Jahr erst am 5. Mai statt - es folgt dem Julianischen Kalender und ist bis zu fünf Wochen später als unser Osterfest. Höhepunkt ist die Auferstehungsnacht von Samstag auf Sonntag. Um Mitternacht werden in der Kirche die Lichter gelöscht, nur die Kerze des Popen leuchtet noch. An ihr zündet ein Gläubiger nach dem anderen die seine an. Draußen donnern die Böller, knallen die Feuerwerkskörper wie andernorts nur an Neujahr. Wildfremde Menschen küssen sich die Wangen zum erlösenden "Christos anesti" (Christus ist auferstanden) und setzen sich nach der Messe zur Auferstehungssuppe Magiritsa zusammen. Die wird schon den ganzen Tag lang gekocht - aus Schafsköpfen und Innereien. Dazu gibt es das süße Osterbrot und dunkelrot wie Blut gefärbte Eier. Kali oreksi - Guten Appetit! Am Sonntagmittag feiern dann alle auf dem Dorfplatz weiter bei Musik, Tanz und großem Festessen mit gegrillten Lämmern.

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