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Antike in Trier: Steine werden lebendig

Römische Kaiserstadt Trier. Gladiatoren-Schauspieler, rekonstruierte Werkstätten und unerhörte Funde machen die Antike greifbar.

„Backstage“-Führung in der Arena von Trier mit dem Gladiator Valerius.
„Backstage“-Führung in der Arena von Trier mit dem Gladiator Valerius.
Immer noch imposant: die Kaiserthermen Kaiser Konstantins.
Immer noch imposant: die Kaiserthermen Kaiser Konstantins.
Goldfund mit unschätzbarem Wert: 2650 römische Aurei.
Goldfund mit unschätzbarem Wert: 2650 römische Aurei.

Valerius steht unter dem Boden der Arena. In der Düsternis ruft sich der einstige Gladiator des Amphitheaters von Trier die Vergangenheit in Erinnerung: "Hier floss viel Blut, von hier floss das Wasser rot gefärbt in die Mosel." Valerius war ein Retiarius - einer jener Gladiatoren, die zur Belustigung des Bürgertums mit lediglich einem Fischernetz, einem Dreizack und einem Dolch bewaffnet - ohne Helm - gegen ihre Kollegen kämpften. Valerius berichtet seiner Zuhörerschar von internen Fehden und von der Berufsehre. Er erzählt von jenen, die den Kampf um der Beliebtheit willen suchten, erklärt, wie die Zuschauer ins Amphitheater gelangten und wo die Reihen verlaufen sind. In Deutschlands ältester Stadt erlebt man die Geschichte im Rahmen von Erlebnistouren, als Ein-Mann-Theater mit guter Akustik: Dank eines Schauspielers erstehen die Ruinen des Amphitheaters in den Augen der Besucher zu neuem Leben. Auch die Porta Nigra, das imposante römische Stadttor und zugleich bekanntestes Wahrzeichen der Stadt, wird auf Wunsch von einem Soldaten in antiker Kleidung erklärt, der die Stadt vor angreifenden Barbaren verteidigt.

Etwas mehr Fantasie ist zehn Gehminuten von hier in den Kaiserthermen aus der Spätantike gefragt. Trier, oder "Augusta Treverorum" oder auch "Treveris", wie die Stadt damals hieß, war zu einer von vier Kaiserresidenzen aufgestiegen, der einzigen nördlich der Alpen. Die mächtigen Ziegelbögen der Ostseite der Anlage zeigen deutlich die Ausmaße dieser Anlage. Das weite, unterirdische Gangsystem, über das die Bediensteten die Öfen befeuerten, erschließt sich am besten ebenfalls im Rahmen einer geführten Tour. Was man dabei erfährt: Die Thermen sollten zwar ein Geschenk des Kaisers an das Volk sein, haben aber vermutlich nie ihren Zweck erfüllt - kurz vor Fertigstellung wurden sie wohl als Kaserne für die Garde des Kaisers genutzt.

Unmittelbar neben den Kaiserthermen lassen die Trierer heute in einem Park ihre Seelen baumeln. Früher war dieses Areal einzig dem Kaiser und seinem Hofstaat vorbehalten. Konstantin der Große wohnte hier, ehe er Konstantinopel zur alleinigen Kaiserresidenz machte, und auch seine Mutter, die bis heute verehrte heilige Helena. Über die Grünflächen geht es zu deren Empfangshalle: Die heutige Konstantin-Basilika wurde im 19. Jahrhundert und nach dem Zweiten Weltkrieg rekonstruiert, und auch wenn die Ziegelsteinwände heute schmucklos nackt sind, so rauben dem Besucher allein schon die Ausmaße dieser dreißig Meter hohen Halle den Atem. Hier fühlt man sich ziemlich klein, und das war wohl auch der Zweck, wenn man dem Kaiser seine Aufwartung machen wollte.

Mit Rom, das in der Spätantike keine Hauptstadt mehr war, hat Trier eine Sache gemeinsam: Sobald man zu graben beginnt, sind die Archäologen zur Stelle, denn gefunden wird immer etwas. So auch bei Bauarbeiten für ein Parkdeck des Krankenhauses vor dreißig Jahren. Nach erfolglosen Grabungen in den freigelegten römischen Kellersystemen - die Bagger wurden bereits in Stellung gebracht - schlug plötzlich der Metalldetektor eines nachtaktiven Hobby-Schatzsuchers aus. Als er die rund 2650 römischen Goldmünzen, sogenannte Aurei, daheim auf den Küchentisch gehievt und seiner Frau gezeigt hatte, bekam er weiche Knie - und brachte den Fundus pflichtbewusst ins Rheinische Landesmuseum. Die Akte wurde damit aber nicht geschlossen, denn durch andere illegale Schatzsucher sollen noch immer ein paar Münzen fehlen.

Den Schatz im Rheinischen Landesmuseum muss man erst suchen. Hinter einer unscheinbaren weißen Tür verbirgt sich eine kleine, laut Museum hochmodern geschützte Münzkammer. An den vier Wänden werden mehrere Münzfunde präsentiert, der besagte Goldschatz leuchtet in der Mitte des dunklen Raums. Das von einer Baggerschaufel aufgerissene Bronzegefäß liegt daneben.

Auf den ersten Blick alle gleich, unterscheiden sich die geprägten Portraits doch voneinander bei genauem Hinsehen: Insgesamt 29 Kaiser, Kaiserinnen samt Verwandtschaft sind abgebildet. Einige Münzen werden hervorgehoben, etwa jene mit einem Elefanten auf der Rückseite, herausgegeben im Jahr 80 nach Christus zur Eröffnung des Kolosseums in Rom. Die jüngsten Münzen wurden um das Jahr 195 geprägt - lange bevor Trier Kaiserresidenz wurde, lange vor Konstantins Kaiserpalast. Der Großteil der rund 300 Münzfunde in der Region stammt allerdings aus der Zeit der Germanenüberfälle rund 70 Jahre später, als der Limes-Grenzwall nur unzureichend gesichert war. Dem Obergermanisch-Raetischen Limes, der auf dem Landweg Rhein mit Donau verband, können Antike-Fans in Rheinland-Pfalz heute auf einer Länge von 75 Kilometern wieder nachspüren, er ist gemeinsam mit dem Hadrianswall und dem Antoninuswall in Großbritannien Teil des Unesco-Weltkulturerbes.

Und wer bereits auf Römerspuren rund um Trier unterwegs ist, den führt die Tour ins Römerbergwerk Meurin, wo man unter einem riesigen, gewölbten Glasdach durch ausgehöhlten Tuffstein spaziert, oder in den Archäologiepark Belginum auf dem Weg nach Mainz, wo wundersamerweise kunstvolle Glasstücke die Jahrhunderte überdauert haben. Das Faszinierendste ist der Gladiatorenbecher: Auf dem umlaufenden Relief des hellen, grünlich-blauen Glases sind vier Szenen mit jeweils zwei Kämpfern zu sehen, Kampf, Sieg und Siegerehrung.

Als Valerius in der Arena kämpfte, lag der Glasbecher als Grabbeigabe bereits unter der Erde, und der phänomenale Goldschatz vielleicht ebenso. Kaiserpalast und Kaiserthermen hingegen waren noch nicht errichtet. In Trier und seinem Umland lässt sich die Römerzeit als lange, entwicklungsreiche Phase begreifen, manches Gemäuer erfüllt seinen Zweck sogar bis heute: Das Stiftungsweingut Vereinigte Hospitien an der Mosel, nahe der Römerbrücke und somit dem Goldschatz-Fundort, lässt seine Gewächse im ältesten Weinkeller Deutschlands reifen. In der Antike ein Speicherhaus, merkt man dort heute beim Verkosten von Riesling und Burgundersorten, dass die Deutschen an der Mosel ziemlich gute Weine machen. Aber das ist eine andere Geschichte.

INFORMATION:

Rheinisches Landesmuseum Trier,

www.zentrum-der-antike.de

Erlebnisführungen im Amphitheater, www.trier-info.de/fuehrungen-fuer-gruppen/der-gladiator-valerius

Stiftsweingut Vereinigte Hospitien,

weingut.vereinigtehospitien.de

Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, www.gdke.rlp.de

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