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Folgen andere Länder dem US-TikTok-Verbot?

Noch sind viele Fragen offen. Ein Social-Media-Experte meint aber: "Technische Möglichkeiten, das Verbot zu umgehen, gibt es immer."

In einem Jahr könnte das TikTok-Verbot in den USA in Kraft treten.
In einem Jahr könnte das TikTok-Verbot in den USA in Kraft treten.

Die USA stellen TikTok mit jenem Gesetz, das US-Präsident Joe Biden diese Woche unterzeichnet hat, ein Ultimatum: Sollte die populäre Kurzvideo-App in einem Jahr noch im Besitz des in China ansässigen Bytedance-Konzerns sein, soll sie in den USA verboten werden. Konkret geben die USA dem TikTok-Mutterkonzern neun Monate Zeit, um die Kurzvideo-App zu verkaufen. Diese Frist kann Biden - der übrigens selbst einen erfolgreichen TikTok-Kanal mit 306.000 Followern betreibt - aber um weitere drei Monate verlängern, wenn er Fortschritte in den Verkaufsverhandlungen sehen sollte.

"Interessant wird sein, ob und wo TikTok nun Konzessionen macht", sagt der Salzburger Social-Media-Spezialist und Inhaber der Agentur viermalvier.at, Karim Bannour, im SN-Gespräch. Denkbar wären etwa Zugeständnisse zur Frage, wo die Daten gehostet werden, sagt er.

Darauf, dass Bytedance an Verhandlungen interessiert sein könnte, deutet derzeit allerdings nichts hin. Vielmehr wurde bereits angekündigt, dass man TikTok nicht an ein US-Unternehmen verkaufen werde. Es dürfte daher darauf hinauslaufen, dass die App in den USA spätestens in einem Jahr nicht mehr über offizielle Kanäle - wie dem Play Store von Google oder dem App Store von Apple - verfügbar sein wird. Für bereits installierte TikTok-Apps wird es dann wohl keine Updates mehr geben. Bannour zweifelt daran, ob ein solches Verbot überhaupt durchsetzbar ist, denn: "Technische Möglichkeiten, das Verbot zu umgehen, wird es immer geben", sagt er.

In den USA wird bereits seit mehr als einem Jahr über ein TikTok-Verbot diskutiert, neu aufgeflammt ist die Diskussion zu Beginn des Jahres. Eine der Befürchtungen der USA ist, dass sich chinesische Behörden Zugang zu Informationen zu den Nutzerdaten von 170 Millionen US-amerikanischen TikTokern verschaffen könnten. Zudem wird China vorgeworfen, es würde die öffentliche Meinung beeinflussen - etwa indem der Algorithmus manipuliert wird. Darauf, dass dem so ist, deutet hin, dass TikTok keine Informationen zu den chinesischen Erzfeinden Taiwan und Tibet ausspielt. TikTok hat diese Vorwürfe freilich stets dementiert und etwa versichert, dass Daten amerikanischer Nutzer nur in den USA und in Singapur gespeichert würden.

Bytedance hat bereits angekündigt, gegen das US-Gesetz vor Gericht ziehen und alle rechtlichen Mittel ausschöpfen zu wollen. Zuerst dürfte der Konzern eine einstweilige Verfügung anstreben, die den Countdown aussetzt. TikTok argumentiert, das Verbot sei ein Verstoß gegen die in der US-Verfassung verankerte Redefreiheit.

Und tatsächlich ist der Versuch, den Verkauf von TikTok in den USA zu erzwingen, schon einmal aufgrund solcher Bedenken gescheitert: Ein ähnliches Gesetz im Bundesstaat Montana wurde von einem Gericht auf Eis gelegt. Als Bundesgesetz hat das aktuelle Vorgehen aber eine solidere rechtliche Basis als der Präsidentenerlass, den Donald Trump im Jahr 2020 durchgeboxt hat.

Vor allem in der netzpolitischen Szene befürchten manche Beobachter nun einen Schneeballeffekt. Laut einem Bericht des US-Onlinemediums Axios verbietet das neue Gesetz jede App, die von der US-Regierung als "von ausländischen Gegnern kontrollierte Anwendung" eingestuft wird. Das könnte auch das Aus für andere Apps wie die beliebte Videobearbeitungs-App Capcut, ebenfalls aus dem Hause Bytedance, bedeuten. Die "New York Times" befürchtet gar, andere Länder könnten den USA folgen und andere Dienste und Apps verbieten. Karim Bannour sieht es ähnlich: "Es könnte durchaus sein, dass die EU diesem Beispiel folgt." Das sei zwar derzeit nicht im Gespräch, sei die Debatte aber einmal angestoßen, könne es schnell gehen, meint er.

Die EU hat ja bereits wegen eines anderen Problems Ermittlungen gegen TikTok eingeleitet: Brüssel stößt sich daran, dass Bytedance in Frankreich und Spanien ohne eine Risikobewertung eine App mit dem Namen TikTok Lite gestartet hat. Da Nutzer dort Punkte für das Anschauen von Videos sammeln können, ortet die EU darin Suchtgefahr. TikTok hat die Funktion daraufhin ausgesetzt. Und wie hält es die EU mit den Sicherheitsbedenken? Die Kommission hat ihre Mitarbeiter bereits im Vorjahr dazu aufgerufen, die App auf Diensttelefonen zu löschen.